Tipps zum Umgang mit ADS-Kids in Schule, Kindergarten und Elternhaus -
Ein Seminar mit Cordula Neuhaus für uns notiert von Susi Jung Am 30.6. 2001 war ich auf einem Seminar für SonderschullehrerInnen und
ErzieherInnen von Cordula Neuhaus in Meinerzagen..... ..... und ich fand es einfach nur spitze! Frau Neuhaus schafft es wirklich in einem atemberaubenden Tempo viele Infos so rüberzubringen, dass man
sie auch versteht. "Gewürzt" mit vielen Folien und Karikaturen, mit kleinen Geschichten von "ihren" Kids und "Rollenspielen", wo sie selbst sehr glaubhaft "das
Kind" und "den Erwachsenen" spielte war es einfach den ganzen Tag zuzuhören. Ich habe mal versucht eine Zusammenfassung zu machen. Allerdings ohne Anspruch auf Vollständigkeit. Zuerst
kam eine Erklärung was ADS ist -die 3 "Grundtypen"- Hypie, Hypo, Mischtyp Da die "normalen" Symptome in vielen Büchern beschrieben sind, werde ich hier nur auf ein paar Dinge, die mir
besonders aufgefallen sind eingehen:
- dass ADS'ler nur 1/3 einer Aufforderung aufnehmen; - Hypersensibilität (z.B. entscheiden sie in der 1. Sekunde,
ob sie jemanden mögen oder nicht); - "komische" Esser (fand ich interessant, weil meine auch sehr merkwürdige Esser sind); - können Nähe nur ertragen, wenn sie darauf eingestellt sind;
- anderes Schmerzempfinden (sie können fallen und nicht mal einen Laut von sich geben, ... ... aber wenn ihnen jemand "ans Leder" (z.B. Blutabnahme) will, schreien sie wie wild).
Sie nannte auch einige Studien, in denen das Gehirn von ADS'lern und von "Normalen" verglichen wurde: unter
anderem Studien von Zametkin, Lou, der Uniklinik Freiburg und dem ZI in Mannheim. Interessante Dinge von Zametkin und Lou stehen auch im diesem Link. Sie nannte auch einige Beispiele, woran man ADSler von
"überreizten" und "sozialgeschädigten" Kindern unterscheiden kann: Überreizte Kinder haben nicht: - Probleme direkt nach einem Erlebnis zu erzählen - keine graphomotorischen Probleme - keine fehlende Selbsteinschätzung. Helfen kann man mit:
- Leistungsinseln (besondere Fähigkeiten) erkennen und fördern); - Verstehen der Symptomatik (sich über ADS sehr
gut informieren); - Nicht gegen die Kinder kämpfen, sondern lernen damit zu leben (akzeptieren, dass sie viele Dinge nicht absichtlich machen, sondern oft einfach nicht anders reagieren
können); - Coaching (ihnen mit Plänen und viel Konsequenz helfen); - warme Empathie (sich in die Kinder einzufühlen und ihnen auch deutlich machen, dass man weiß, wie es ihnen geht,
etwa "ich weiß, dass Du gerade überhaupt keine Lust hast Hausaufgaben zu machen, bei dem schönen Wetter, trotzdem möchte ich, dass Du sie jetzt machst);
- resourcenorientierte Interventionen; - Einstellungsänderungen.
Was brauchen ADS Kinder unabdingbar:
- kein vielleicht (wenn's nachher nicht regnet gehen wir VIELLEICHT schwimmen;
sondern erst kurz vorher:" Es regnet nicht, also gehen wir jetzt schwimmen); - feste Regeln / Zeitregeln (z.B. Schule, Essen, Hausaufgaben, Spielen); - Strukturen - kein Zeitdruck
- vermeiden von Hektik - Kontrolle !!!!! (hast du ... gemacht- dann schau ich mir das jetzt an); - Regelpläne (Punkteplan mit Belohnungen TÄGLICH "abrechnen")
- kein zu frühes Einfordern von Selbstständigkeit; - kein "auflaufen" lassen (nicht "dann musst du morgen halt ohne Jacke in die Schule, wenn du sie immer liegen lässt)"; -
keine Schulinquisition beim Mittagstisch (Gespräche über die Schule nur angesichts der Hausaufgaben, die Kinder KÖNNEN nicht sofort erzählen);
- konsequent, konsistent und dies kontinuierlich sein; - niemals mit anderen vergleichen (Deine Schwester hat aber...., Der... kann aber schon... ).
Cordula Neuhaus legte unter anderem eine Folie auf, mit einem Schild: Das ist genau das was für unsere ADSler so wichtig ist! Schluss jetzt sofort und ohne wenn und aber! - kein
VIELLEICHT!
Verhaltensmanagement:
- Verhaltenserwartung im festen, ruhigen, freundlichen Ton formulieren:
- Ankündigen was an Tätigkeiten zu erledigen ist (heute gehen wir noch einkaufen, wir müssen noch...) - auf Motzen und Verweigern nicht eingehen ("mitbrummeln",
gegebenenfalls Missbefindlichkeit mit thematisieren "ich weiß es nervt dich, aber...) - nur im hier und jetzt bleiben (nicht "letzte Woche hast du auch...")
- nicht an Kleinigkeiten rummeckern - sofortige Konsequenz - häufige Rückmeldung - ausreichend wirksame Rückmeldung - Verstärkung der Anstrengungsbereitschaft
- Lob in "homöopathischen Dosierungen" (damit es nicht unglaubwürdig wird) - bei Erregungssteigerung - Blickkontakt weg - Stimme senken
- viel nonverbales und sehr verkürztes korrigieren - wenn laut werden nötig ist - dabei keinerlei Etikettierung wie "du bist ja wie..." benutzen
- Extrembezeichnungen vermeiden (ständig, immer, nie) - kein Petzen zulassen (man kann den Sachverhalt sowieso nicht nachprüfen) - im Eklat: rasches, direktes Eingreifen (gegebenenfalls
auch mit trennen oder Auszeit) - nach Eklat und Erregungssenkung: kein unmittelbares verbales "Aufarbeiten" sondern erst weiter im Tagesablauf dann zeitversetzt, deutlich später,
thematisieren - im Gespräch immer erst Positives vor Negativem benennen - gegebenenfalls schriftlich kommunizieren - Verhalten der Kinder nicht persönlich nehmen- tolerant, souverän, fest
- diese Kinder bekommen besonders gut Dinge mit, die sienicht mitkriegen sollen. Will man ihnen also was wichtiges vermitteln ist es besser mit einer dritten Person darüber
zu sprechen (z.B. Telefon) und sie in hörweite zu wissen. (z.B. mit der Freundin darüber diskutieren wie schädlich doch zu viele Bonbons für Kinder sind und nicht "Hans" zu
viele Bonbons sind ungesund).
Ablauf eines Elterntrainings:
- Vorstellungsrunde - Meckerrunde - Probleme der Kinder - Probleme der Erwachsenen - Positivrunde
- Erklärung der Hintergründe - Einstellungsänderung - was hilft nicht - Rollenspiele - Verhaltensmanagement - Hilfe für den selbst betroffenen Elternteil
- Alterspezifische Interventionen zu Hause je nach Problemlage. Frau Neuhaus ging nach diesen Tipps auch auf die medikamentöse Behandlung ein und erklärte genauer, wozu sie
eingesetzt wird und was sie nicht bewirkt: Ritalin, o.ä. Medikamente sind konzentrationssteigernd - dadurch können viele Probleme behoben werden. Allerdings
müssen neue Verhaltensregeln erlernt werden - das macht kein Medikament von alleine. Ritalin wird schon seit 1951 in Deutschland verschrieben Laut einer Studie in Berlin (Charitee) ist bei behandelten
ADS'lern das Risiko einer Sucht (Alkohol, Drogen, etc.) um 85% geringer Wichtig ist jedoch eine gleichmäßige Medikamention (also keine Wochenende- und Ferienpause, Vormittags genauso wie
Nachmittags, häufige Schwankungen vermeiden, da das die Kinder nur durcheinander bringt) Kinder die mit Ritalin Tics bekommen, haben überdurchschnittlich oft Zink, bzw. Magnesiummangel. Dies
kann man beim Arzt durch Untersuchung der Elektrolyte feststellen lassen. Meistens können die Tics dann mit entsprechenden Medikamenten behandelt werden.
Weinen, bzw. DepriPhase nach dem Anfangen mit Ritalin ist oft normal, da die Kids plötzlich sehen, was sie vorher alles "angestellt" haben und sich schlecht (sogar "böse") fühlen können.
Es gibt jede Menge Studien über ADS und Ritalin , etc. Hier ein Auszug der MTA- Studie von 1999: Viele noch offene Fragen zur Therapie der ADHS werden
wahrscheinlich durch die seit Mitte der 90er Jahre laufende größte je in der Kinderpsychiatrie durchgeführte Langzeitstudie (5) geklärt werden: Die ersten Studienresultate wurden nach 14
Monaten Ende 1999 veröffentlicht, weitere Resultate werden in den nächsten Jahren immer wieder erscheinen. Die MTA (Multi Treatment Assessment) - Studie wurde von sechs
verschiedenen in den USA und Kanada führenden ADHS-Kliniken unter der Leitung der unabhängigen nationalen Gesundheitsbehörde (NIH) gestartet und soll möglichst über
viele Jahre weitergeführt werden. Mittels genau abgestimmter und koordinierter Diagnostik wurden rund 600 7–9- jährige Kinder mit dem Vollbild der ADHS in die Studie aufgenommen.
Diese Kinder wurden in vier verschiedene Behandlungsgruppen aufgeteilt, seither entsprechend betreut und der Verlauf systematisch ausgewertet: A: Medical management, d.h. optimale medikamentöse
Therapie mit placebokontrollierter Einstellphase, Medikamente über ganzen Tag, monatliche Arztkontrollen, regelmäßiges Rückfragen bei allen Bezugspersonen
B: Optimales psychosoziales Behandlungsprogramm, vor allem Verhaltenstherapie mit Elterntraining, kindzentrierte Therapie in 2-monatigem Sommerlager, Lehrerinstruktion und -supervision
C: Kombination von A und B D: Kontrollgruppe mit Behandlung gemäss den lokalen Gegebenheiten Die Auswertung aller Kinder erfolgte bisher nach 3, 9, 14 und
24 Monaten. Die 1999 nach 14 Monaten erschienenen ersten Veröffentlichungen zeigen, dass bei allen Kindern hinsichtlich der ADHS- Zielsymptome (Unaufmerksamkeit, Hyperaktivität
und Impulsivität) eine Besserung eingetreten ist, wie zu erwarten jedoch am deutlichsten bei Gruppe C. Statistisch nicht signifikant schlechter schnitt jedoch Gruppe A ab: Die alleinige,
jedoch optimal eingestellte, Medikation führte zu praktisch gleich guten Ergebnissen. Allerdings ist dabei die Dosierung der Medikamente höher ausgefallen als in Gruppe C. Das
aufwendige Behandlungsprogramm B schnitt schlechter ab und war teilweise vergleichbar mit D. In Gruppe D wurden ca. 2/3 aller Kinder ebenfalls medikamentös behandelt, diese
reagierten in der Regel besser als nicht medikamentös behandelte Kinder. Da viele ADHS – Kinder zusätzlich Angst- oder Zwangssymptome, depressive Züge und auch Störungen
im Sozialverhalten aufweisen, zeigte sich, dass diese in der Regel vom Behandlungsansatz B oder C besser profitierten als "reine" ADHS- Kinder.
Als erste Schlussfolgerung dieser MTA-Studie geht recht klar hervor, dass bei der ADHS eine richtig dosierte Medikation über längere Zeit sinnvoll und unabdingbar ist. Eine
begleitende verhaltenstherapeutische und psychosoziale Betreuung ist ebenfalls indiziert, alleine aber deutlich weniger wirksam als in Kombination mit optimal eingestellten Medikamenten.
Ich habe an diesem Tag wieder viel über mich und meine Kinder gelernt und habe euch einen Teil davon wiedergegeben. Es hat wirklich Spaß gemacht Cordula Neuhaus zu erleben. zurück zum Seitenanfang
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