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ADHS und Lebensqualität Einführung „Psychische Auffälligkeiten oder Störungen bei Kindern und Jugendlichen wie
Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörungen, Depressionen oder Störungen des Sozialverhaltens werden in den Medien breit diskutiert.“ (Ravens-Sieberer et al., 2002, S. 585). Internationale Studien zeigen, dass
Entwicklungs- und Gesund-heitsrisiken bei Kindern zunehmen, Schätzungen der Gesamtprävalenz von psychischen Störungen und Auffälligkeiten im Kindes- und Jugendalter zeigen eine Prävalenz von 18% (vgl. a.a.O.). „Auch in
Deutschland liegt die Prävalenz psychischer Auffälligkeiten im Kindes- und Jugendalter stabil auf einem recht hohen Niveau. Damit stellt die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen eine epidemiologische
Zielgröße erheblicher Relevanz dar“ (a.a.O.). ADHS – Prävalenz und Symptome Die Aufmerksamkeits-/Hyperaktivitätsstörung gehört zu den häufigsten psychi-schen Auffälligkeiten im Kindes- und
Jugendalteralter (vgl. Hampel/Petermann, 2004, S. 131). Nach Studien aus den Jahren 1998 bis 2004 zeigt sich eine durchschnittliche Prävalenzrate der ADHS „von 2.2 bis 17.8%. Der Median liegt bei 6.0% und die mittlere
Prävalenzrate bei 7.0% (SD = 4,8%).“ (Kuschel et al., 2006, S. 276). „Als Kardinalsymptome gelten Störungen der Aufmerksamkeit (Aufmerksamkeitsstörung, Ablenkbarkeit), Impulskontrolle (Impulsivität) und motorischen
Aktivität (Hyperaktivität)“ (Hampel/Petermann, 2004, S. 131), die sich laut der Mannheimer Risikokinderstudie „schon im Kleinkindalter relativ zur später unauffälligen Gruppe vermehrt beobachten“ lassen. (Esser et al.,
2007, S. 131). „Außerdem sind im Vorfeld hyperkinetischer Störungen des Grundschulalters bei den Zweijährigen vermehrt Wutanfälle, Ungehorsam und Unaufmerksamkeit zu beobachten.“ (a.a.O.). Die Diagnosestellung erfordert
ein situationsübergreifendes Vorliegen der Auffälligkeiten vor dem Alter von sechs Jahren. Das Klassifikations-system ICD-10 unterscheidet zwischen der einfachen Aktivitäts- und Aufmerksam-keitsstörung (F 90.0) und der
hyperkinetischen Störung des Sozialverhaltens (F 90.1). Bei bis zu zwei Dritteln der Kinder und Jugendlichen wurden weitere Auffälligkeiten diagnostiziert, wie oppositionelle Verhaltensstörungen, aggressiv-dissoziale
Störungen des Sozialverhaltens, Angst- und depressive Störungen, Ticstörungen, Substanzmissbrauch, Lernstörungen und Schulleistungsdefizite (vgl. a.a.O.). Kinder und Jugendliche mit ADHS in der Schule
Störung der Aufmerksamkeit und Behaltensleistung Verschiedene Studien zeigen, dass Kinder mit ADHS “pay less attention during instruction and independent work periods than their peers and experience
significant difficulty initiating and maintaining attention in academic settings (e.g., Abikoff et al., 2002; Barkley et al., 1990).“ (Rapport et al., 2009, S. 564). In der KIGGS-Studie zeigte sich eine Verschärfung der
Probleme „dahin gehend, dass nur kurzzeitige Aufmerksamkeit im Unterricht bei gleichzeitiger großer Ablenk-barkeit gegeben ist. ADHS-Kinder bleiben oft hinter ihrer eigentlichen Leistungsfähigkeit zurück.“ (Schlack et
al., 2007, S. 828). Auch Hampel & Mohr fanden, dass ADHS mit einer Störung der exekutiven Funktionen einhergeht (vgl. Hampel/Mohr, 2006, S. 156), wie „übergroße Ablenkbarkeit, Schwierigkeiten beim Zuhören, mangelnde
Verhaltensorganisation, Vergesslichkeit, motorische Unruhe, übermäßiges Reden, impulsive Antworten und Ungeduld beim Warten“ (Lauth/ Mackowiak, 2004, S. 156). „Willcutt, Doyle, Nigg, Faraone &
Pennington (2005) führten eine Metaanalyse über 83 Studien durch, in denen bei Kindern und Jugendlichen mit ADHS und gesunden Kontrollen exekutive Funktionen wie Verhaltensinhibition, Vigilanz, kognitive Flexibilität
(„set-shifting“), Planungsfähigkeit/Organisation sowie verbales und räumliches Arbeitsgedächtnis untersucht werden. Insgesamt ziehen sie das Fazit, dass ADHS durch ein Defizit in allen exekutiven Funktionen
gekennzeichnet ist. Hierbei waren ausgeprägte und konsistente Effekte vor allem für die Verhaltenshemmung, die Vigilanz, das Arbeitsgedächtnis und die Planungsfähigkeit festzustellen.“ (Hampel/Mohr, 2006, S. 156). Die
Autoren wiesen ebenfalls signifikante Defizite der verbalen und visuellen Merkspanne und der kognitiven Flexibilität nach sowie eine höhere Fehlerzahl in der Planungs- und Problemlösefähigkeit (vgl. a.a.O., S. 159 ff.).
Nach Antshel & Nastasi ist außerdem die Metamemory, die definiert ist als die Bewusstheit über Behaltensprozesse, beeinträchtigt. Im Alter von vier Jahren fanden sich in der Entwicklung der Metamemory
keine Unterschiede zwischen Kindern mit und ohne ADHS. Im Alter von fünf Jahren ließ sich ein bedeutender Unterschied feststellen, Die Autoren folgern, dass Kinder mit ADHS „have developmental lags in their metamemory
development“ (Antshel/Nastasi, 2008, S. 409), die ein Risiko für die Entwicklung von Lernstörungen darstellen (vgl. a.a.O.). Eingeschränktes Arbeitsgedächtnis „Das Arbeitsgedächtnis dient der
vorübergehenden Speicherung und Verarbeitung von Informationen. Seine Funktionstüchtigkeit hat sich als guter Prädiktor für den Erfolg von Lernprozessen erwiesen. Das gilt sowohl für den Erwerb der Sprache … als auch
für den Erwerb von Lesen, Schreiben und Rechnen“ (Schuchardt et al., 2008, S. 147). Das Arbeitsgedächtnis gliedert sich nach Baddeley (1986) in drei Bereiche, der phonologischen Schleife, die dem Merken und Wiederholen
von akustischen und verbalen Reizen dient, dem Notizblock, in dem visuelle und räumliche Reize verarbeitet werden, sowie der übergeordneten Komponente, der Zentralen Exekutive, die u. a. die Aufmerksamkeit steuert (vgl.
Woolfolk, 2008, S. 313, Brocki et al. 2008, S. 750) sowie Informationen selektiert und koordiniert als Grundlage zur Bewältigung komplexer kognitiver Anforderungen (vgl. Schuchardt et al., 2008, S. 147), unabhängig vom
Vorliegen einer Lernstörung (vgl. a.a.O., S. 151). Brocki et al. untersuchten die Funktionen des Arbeitsgedächtnis bei Kindern mit ADHS. Sie fanden eine ausgeprägte Beeinträchtigung der phonologischen
Schleife sowie des Notizblocks, die sich unabhängig von den Einschränkungen der Verhaltensinhibition zeigen (Brocki et al., 2008, S. 754 – 757). Unter-suchungen von Rapport et al. zeigten zusätzlich eine beeinträchtige
Funktion der Zentralen Exekutive im Vergleich zu Kindern ohne ADHS. „The difference in central executive functioning between the two groups was remarkable ..., and highlights the critical role played by the central
executive in directing and focusing attention, while providing the necessary oversight and coordination for the two subsidiary systems in addition to integrating working memory and long-term memory. These abilities are
clearly impaired in children with ADHD.” (Rapport et al., 2008, S. 834). Um die Bedeutung des
Arbeitsgedächtnisses für das Lernen darzustellen, untersuchte Mähler 2007 die Funktionen des
Arbeitsgedächtnisses lernbehinderter Kinder. Sie wies ebenso alle drei Komponenten nach, fand jedoch, dass deren Funktion dem mentalen Alter der Kinder entsprach. Die phonologische Schleife zeigte bei 10-jährigen
zusätzlich eine qualitative Beeinträchtigung, die im Alter von 15 Jahren nicht mehr festzustellen war (vgl. Mähler, 2007, S. 102 – 105). Janczyk et al. untersuchten Kinder mit einer Sprachentwicklungsverzögerung im
Alter von sechs Jahren. Sie fanden eine Beeinträchtigung der phonologischen Schleife, bei gleichzeitig unbeeinträchtigter Funktion der Zentralen Exekutive (Janczyk et al., 2004, S. 202 – 206). Untersuchungen von Kindern
mit schwachen Rechenleistungen zeigen Minderleistungen der phonologischen Schleife, während schwache Leistungen im Schriftspracherwerb mit Beeinträchtigungen der phonologischen Schleife, wie der Zentralen Exekutive
einhergehen (Schuchardt, 2006, S. 265 – 267). Kinder mit umfassenden Schwierigkeiten im Lesen, Rechnen und Schreiben weisen strukturell die gleichen Defizite im Arbeitsgedächtnis auf, wie Kinder mit einer
Teilleistungsstörung, jedoch „weisen die Ergebnisse auf ein additives Zusammenwirken der Defizite hin, die für die einzelnen Schwächen im Rechnen bzw. Lesen und Schreiben gefunden wurden.“ (a.a.O., S. 267).
Maehler & Schuchardt kommen zu dem Schluss, dass Kinder mit umfassenden Lernstörungen „are more severely impaired with respect to their working memory than children with either dyslexia or dyscalculia, a fact that
might explain the broader learning disorder.“ (Maehler/Schuchardt, 2009, S. 8). Rapport et al. schlussfolgern, dass die Einschränkungen im Arbeitsgedächtnis “contributes to longitudinal findings of poor school
performance, significant scholastic underachievement, and low high school graduation rates characteristic of ADHD.“ (Rapport et al., 2008, S. 835). Störung der Impulskontrolle Fehlende
Verhaltensinhibition als Teil der exekutiven Funktionen führt zu Schwierigkeiten beim Lernen und im Verhalten (vgl. Kliegel/Kerber, 2005, S. 108). In Testsituationen, die eine Unterdrückung motorischer Handlungen
erfordern, dem WISC oder dem Stroop-Test erzielen Kinder mit ADHS signifikant schlechtere Ergebnisse, als die jeweiligen Kontrollgruppen (vgl. a.a.O., S. 103 f.). Auch das prospektive Gedächtnis, das als Planen und
Erinnern von Handlungsabsichten definiert ist, setzt die Fähigkeit der Handlungsinhibition voraus (a.a.O., S. 104). Das „Planen und Erinnern von Absichten [ist] vor allem im Kindesalter von hoher Alltagsrelevanz. […]
Gerade im Verlauf des Grundschulalters ist die Entwicklung der prospektiven Erinnerungsleistung eine wesentliche Voraussetzung für effektives, selbstinitiiertes Lernen und damit für die kognitive Entwicklung insgesamt“
(a.a.O.). Die Autoren fanden in ihrer Untersuchung zum prospektiven Gedächtnis, dass Kinder mit ADHS häufiger einen Handlungsplan erstellten, dass hierbei jedoch eine große Fehlerhäufigkeit festzustellen ist. Auch die
Erinnerung des Planes war bei Kindern mit ADHS geringer ausgeprägt (vgl. a.a.O., S. 107). Insgesamt stellten die Autoren fest, die qualitativen Leistungen der Kinder mit ADHS bilden sich „in einer unzureichenden
Verarbeitungstiefe der zu bildenden Intentionen sowie in einer fehlenden Überprüfung eigener Handlungsergebnisse ab.“ (a.a.O., S. 110). Auf der Verhaltensebene führt die „Störung der Impulskontrolle …
bei ADHS-Kindern häufig dazu, dass sie soziale Regeln verletzen und sich damit in eine Außenseiterposition bringen. Auch in diesem Zusammenhang versuchen die betroffenen Kinder, sich durch kurzfristige, impulsive
Handlungen wieder „in Szene“ zu setzen.“ (Huss, 2008, S. 604). „Diese Verhaltensweisen sind im Unterrichtskontext störend und werden von Lehrern als eines ihrer herausragenden Unterrichtsprobleme genannt (vgl. Bach,
Knöbel, Arenz-Morek & Rosner, 1984). Die vorliegenden Befunde belegen, dass die Lehrer vor allem das aktiv störende Verhalten (z.B. mit dem Nachbarn schwätzen; durch die Klasse laufen; herumalbern) beachten“
(a.a.O., S. 158 f.). Zahlreichen Studien in den Jahren 1979 bis 1985 untersuchten diese störenden Verhaltensweisen (vgl. a.a.O., S. 159). Lauth & Mackowiak (2004) zeigten, dass ADHS-Kinder „im Vergleich zu den
Kontrollkindern ein aktiv störenderes und passiveres Verhalten [zeigten]. Ferner gehen mehr selbstinitiierte Aktivitäten von ihnen aus, und es sind vermehrte Lehreranstöße notwendig, um erwünschte Aktivitäten bei den
Kindern hervorzurufen (fremdinitiierte Aktivität). Das anforderungsgemäße Verhalten dagegen ist bei ADHS-Kindern signifikant geringer ausgeprägt“ (a.a.O., S. 162). „Die Verhaltensunterschiede zwischen den ADHS- und den
Kontrollkindern sind durchgängig und jeweils zu Ungunsten der ADHS-Kinder.“ (a.a.O., S. 164). SchulschwierigkeitenAuch Schmidt & Petermann (2008) beschreiben den Zusammenhang von ADHS und Schulschwierigkeiten (vgl. Schmidt/Petermann, 2008, S. 267). Es ist „ersicht-lich,
dass ADHS-betroffene Schüler oft schlechtere Leistungen erbringen als ihre Mitschüler (z.B. DuPaul et al., 2006; Hölling et al., 2008; Schlack et al., 2007). Dazu lässt sich ebenso die vergleichsweise höhere
Komorbidität mit weiteren Lernstörungen (Lese- und Rechtschreibleistungen, Mathematikleistungen) anfüh-ren, die bei ADHS größer ist, als es bei anderen Schülern der Fall ist (z.B. Jacobs & Petermann, 2007; Karande
et al., 2007). Ebenso häufig als Folge daraus können sich (schulbezogene) Ängste entwickeln, die in ihrem Ausmaß den Schweregrad einer phobischen Störung annehmen können (vgl. Bowen et al., 2008).“ (Schmidt/Petermann,
2008, S. 270 f.). Barkley untersuchte 1990 in einer Follow-up-Studie Jugendliche mit ADHS mit oder ohne zusätzliche Störung des Sozialverhaltens. In dieser Studie „hatten 30% der Jugendlichen mit ADHS zumindest eine
Klasse wiederholen müssen (dreifach-höheres relatives Risiko im Vergleich zur Kontrollgruppe). Mit zusätzlicher Störung des Sozialverhaltens war jedoch insbesondere das Risiko für Schulverweise und Schulausschlüsse um
das Zwei- bis Achtfache erhöht. ADHS-Patienten ohne Störung des Sozialverhaltens unterschieden sich diesbezüglich nicht signifikant von der Kontrollgruppe.“ (Adam et al., 2002, S. 76).
Kinder und Jugendliche mit ADHS, Peers und soziale Akzeptanz Defizite in den exekutiven Funktionen zeigen nicht nur Auswirkungen auf schulisches Lernen, sondern nach Barkley (1997, 1998) ebenfalls auf
die Regelung (negativer) Emotionen (vgl. Bonekamp/Salisch, 2007, S. 190). Die Autoren zeigen am Beispiel zahlreicher Studien, dass besonders in der Ärgerregulierung Verhaltenshemmung und Impulskontrolle eine wichtige
Rolle spielen, wobei Jungen mit ADHS eine geringere Fähigkeit zur Verhaltens-hemmung aufwiesen und zu einem schnelleren Urteil neigten, da sie weniger Hinweisreize beachteten (vgl. a.a.O.). „Möglicherweise
spielt auch die Größe des sozialen Netzwerks eine Rolle. Kinder mit ADHS verfügen über ein kleineres soziales Netz und sind weniger beliebt bei Peers (Hodgens et al., 2000)“ (a.a.O., S. 194). Nach Parker & Asher
1987 ist bekannt, dass Ablehnung durch Peers ein hoher Risikofaktor für die Entwicklung von psychischen Problemen in der Jugend und dem Erwachsenenalter darstellt. „Both children with peer rejection (Buhs & Ladd,
2001; Parker & Asher, 1987) and children with ADHD (Barkley, 2002; Mannuzza, Klein, Bessler, Malloy, & Hynes, 1997) are at high risk for school failure, repeating a grade, and school dropout.” (Mikami/Hinshaw,
2006, S. 826). Die Autoren zeigen, dass die Ablehnung durch Peers mit einer hohen Rate von aggressivem, ängstlichen oder depressiven Verhaltens assoziiert war. Vermutete Schutzfaktoren wie Selbstakzeptanz,
gute schulische Fähigkeiten und Ziele sowie Akzeptanz bei Erwachsenen bestätigten sich nicht, in Gegenteil „to the original hypothesis, engagement in goal-directed play was consistently associated with greater
adolescent psychopathology, particularly among girls with ADHD.” (a.a.O., S. 835). “We had hypothesized that engagement in goal-directed play would predict resilience. However, results were consistently in the direction
opposite to initial predictions, such that a high ratio (not a low ratio) of engaging in goal-directed play when alone, relative to doing nothing, was associated with externalizing behavior, internalizing behavior, and
substance abuse in adolescence.“ (a.a.O., S. 836). Geringere soziale Akzeptanz sowie Schwierigkeiten in der Schule wirken sich auf die Lebensqualität aus. „Verschiedene Studien belegen, dass die
Lebensqualität von Kindern mit ADHS vor allem in den psychischen Bereichen gegenüber gesunden Kindern und solchen mit körperlichen Erkrankungen beeinträchtigt ist“ (Schreyer/Hampel, 2009, S. 70) „mit z. T.
schwerwiegenden Konsequenzen sowohl für das individuelle Wohlbefinden als auch die alltägliche und soziale Funktionsfähigkeit der Betroffenen“ (a.a.O.). Kinder und Jugendliche mit ADHS in der Familie Eine ADHS beeinträchtigt nicht nur das Wohlbefinden des Kindes, ebenso „sind diese Probleme häufig auch mit Belastungen für das familiäre und weitere soziale Umfeld verbunden.“ (Hölling/Schlack, 2008, S.
155). „Ein Kind mit ADHS in der Familie erhöht die Wahrscheinlichkeit für Beeinträchtigungen des Familien- und Ehelebens, gestörte Eltern-Kind-Beziehungen, reduzierte Effektivität der Elternkompetenz und erhöhten Stress
bei den Eltern und kann auch zu Beeinträchtigungen der Geschwister führen.“ (Schlack et al., 2007, S. 827). Die Mütter psychisch kranker Kinder und Jugendlichen im Alter von 6 bis 19 Jahren berichteten in einer Studie
von Wust et al. (2002) „über stärkere Beeinrächtigungen der Lebensqualität des Kindes in mehreren Lebensbereichen als die Mütter von chronisch kranken Kindern und Jugendlichen. Die Kinder und Jugendlichen gaben in den
Bereichen „Schule“, „Psychische Gesundheit“ und „Probleme“ die negativsten Bewertungen ab.“ (Schreyer/Hampel, 2009, S. 70). Nachfolgestudien konnten diese Ergebnisse bestätigen. Untersucht wurde ebenfalls
die empfundene Belastung der Mütter psychisch kranker Kinder, die sich als stärker belastet empfanden, als die Mütter chronisch kranker Kinder. Auch Klassen et al. (2004) stellten fest: „ADHD had a significant impact on
the parents’ emotional health and parents’ time to meet their own needs, and they interfered with family activities and family cohesion.“ (Klassen et al., 2004, S. 541). Mehrere Studien zeigten, dass Eltern von Kindern
mit ADHS ein stärker kontrollierendes und strafendes, eher inkonsequentes sowie weniger belohnendes Erziehungs-verhalten zeigen, als Eltern gesunder Kinder. Dies ist bedeutsam, da nach Beelmann & Raabe (2007) ein
problematisches Erziehungsverhalten einen deut-lichen Risikofaktor für eine Verstärkung externalisierender Verhaltensstörungen darstellt und bei negativer Eltern-Kind-Interaktion das Chronifizierungsrisiko der ADHS
ansteigt (vgl. Schreyer/Hampel, 2009, S. 70). Verschärfend wirkt, „dass die Familien ein gewisses Maß an Stigmatisierung erfahren“, „da in der Öffentlichkeit diese Diagnose weiterhin stark diskutiert wird“ (Schilling et
al., 2006, S. 298). ADHS - Folgen für die Lebensqualität Die dargestellten Lern- und Verhaltensprobleme im schulischen, freundschaftlichen und familiären Bereich führen dazu, „dass zum einen das
Kind mit sich selbst unzufrieden ist, zum anderen auch die jeweiligen Interaktionspartner mit dem Kind nicht zufrieden sind“ (Schöning et al., 2002, S. 40), mit der Folge, dass „die Lebensqualität von ADHS-betroffenen Kindern in den Bereichen Familie, Schule und Psyche sowohl insgesamt als auch in
der Betrachtung nach Alter und Geschlecht signifikant niedriger“ ist (Hölling et al., 2008, S. 618). Auch im Vergleich mit Kindern, die andere Schwierigkeiten haben, zeigen sich die Einschränkungen mit ADHS deutlich. „Kinder mit einem schwer ausgeprägten ADHD haben ein
negativeres Selbstkonzept als unauffällige Kinder und sich in Therapie befindliche Kinder mit LRS.“ (Schöning et al., 2002, S. 45). Escobar verglich 2005 die Lebensqualität von Kindern mit ADHS bzw. Asthma. Zu ihrem
Erstaunen stellte sie fest, dass die Einschränkungen der Kinder mit ADHS in „vielen Bereichen deutlich stärker ausgeprägt waren als bei Kindern mit Asthma bronchiale, obwohl sich die chronische Lungenerkrankung in
vielfältiger Weise auf Freizeitaktivitäten und die körperliche Belastbarkeit auswirkt.“ (Huss, 2008, S. 605). Ähnliche Ergebnisse zeigen sich in der KIGGS-Studie (vgl. Hölling et al., 2008, S. 618).
Schöning et al., folgern, dass es sich „also bei den hyperaktiven Kindern nicht einfach nur um temperamentvolle und dabei lebensfrohe Kinder“ handelt (Schöning et al., 2002, S. 45), im Gegenteil, „es vermindert sich das
Wohlbefinden und damit die Lebensqualität von Kindern mit ADHD“ (a.a.O., S. 40). Die europäische ADORE study zeigt, dass der „HRQoL of this sample of children and adolescents with ADHD [...] is significantly, even
dramatically, lower than that of community samples in the US and Spain” (Riley et al., 2006b, S. 67). “The children in this study were approximately 1–2 standard deviations below the community norm in all domains,
showing reduced HRQoL” (a.a.O., S. 41). Die Beeinträchtigung der Lebensqualität ist nach dieser Studie nicht abhängig von dem Schweregrad der Ausprägung nach Einschätzung der Eltern oder Behandler, sondern „the child’s
overall problem level on the SDQ.“ (a.a.O., S. 67). Auch Klassen et al. (2004) untersuchten das psychische Wohlbefinden von Kindern mit ADHS. Dieses zeigte sich nach Elternbefragung in allen untersuchten Bereichen
signifikant beeinträchtigt (vgl. Klassen et al., 2004, S. 541). Im Gegensatz zur ADORE study wurde festgestellt, “Children with more symptoms of ADHD had worse psychosocial HRQL.“ (a.a.O., S. 542). Psychosocial health
was related to ADHD symptoms and number of comorbid disorders.” (a.a.O., S. 546). Literatur bei der Autorin.
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